Gewinner 2025
Die Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz zeichnet im Rahmen der Bewerbungen für den Helmut-Simon-Preis 2025 drei Projekte aus, die mit überwiegend ehrenamtlichem Engagement soziale Gerechtigkeit, Teilhabe, Inklusion und Integration fördern. Die Auszeichnungen, die mit jeweils 1.500 Euro dotiert sind, werden zwischen dem 18. und 20. Dezember 2025 von Pfarrer Albrecht Bähr, Sprecher der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz, an den Projektstandorten vergeben.
Preisträger: Schildi-Kiosk, Grundschule Wallersheim
Preisträger: Schildi-Kiosk, Grundschule Wallersheim
In der Koblenzer Grundschule Wallersheim sorgt der „Schildi-Kiosk“ ganz unbürokratisch für mehr Chancengleichheit. Die einmalige Initiative wurde im Dezember von der Diakonie in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Bewerbungen um den Helmut-Simon-Preis 2025 als eines von drei Projekten ausgezeichnet.
Am Mittwochmorgen riecht es im Erdgeschoss der Grundschule Wallersheim nach frisch aufgeschnittenen Äpfeln. Aus dem kleinen Raum neben dem Verwaltungsflur dringt gedämpftes Stimmengewirr. Hinter der halb geöffneten Tür schieben zwei Viertklässler Kisten über den Boden, eine Neonlampe flackert, und irgendwo klappert Geschirr. Es ist „Kiosktag“ – für viele Kinder der heimliche Höhepunkt der Woche.
Herausforderungen und praktische Lösungen
„Stellt die Lebensmittel in den Kühlschrank und räumt die Füller in die Fächer“, ruft Schulleiterin Nicole Adams über das Stimmengewirr hinweg. Sie ist seit Jahren die treibende Kraft hinter diesem besonderen Projekt, das weit mehr ist als eine Ausgabe von Stiften, Heften, Pinseln und Wasserfarben. Es ist eine Antwort auf soziale Ungleichheit, strukturelle Defizite – und auf den stetig wachsenden Bedarf an Unterstützung, den Schulen heute stemmen müssen.
„Es gab Probleme, die uns schon lange auffielen“, sagt Nicole Adams und erinnert sich an die Anfangszeit. „Vielen Kinder fehlten grundlegende Arbeitsmaterialien, um am Unterricht gut teilzunehmen.“ Die Schule liegt in einem Stadtteil mit wenig Infrastruktur; beschult wird auch ein nahegelegenes Flüchtlingscontainerdorf, das seit 2015 besteht. „Die Kinder kamen oft mit nichts. Und wir mussten irgendwie helfen.“
Sozialkompetenz fördern
Was zunächst mit gespendeten Frühstücksbroten und gesammelten Heften begann, wurde über die Jahre zu einem strukturierten Angebot. Heute ist der Kiosk einmal pro Woche geöffnet – und wird von Kindern aus den dritten und vierten Klassen mitorganisiert. Sie wählen Kioskchef*innen, räumen Waren ein, beraten Mitschülerinnen und Mitschüler und organisieren den Verkauf. „Manche Jahrgänge sind unglaublich engagiert“, erzählt Adams. „Andere brauchen mehr Unterstützung. Aber es ist auch ein Sozialkompetenzprojekt.“
Viele Kinder kaufen hier nicht nur ein – sie stöbern, entdecken, erleben ein Stück Normalität. „Für viele ist es wichtig, dass sie selbst entscheiden können: Ich brauche einen Radiergummi oder einen Füller – und ich kann ihn mir hier holen“, sagt Adams. Die Preise sind bewusst symbolisch. Damit auch Kinder aus einkommensschwachen Familien „einkaufen“ können, gibt es ein diskretes Bonsystem. Adams: „Oft zahlen sie gar nichts – aber das wird nicht thematisiert, damit niemand stigmatisiert wird.“
Chancengleichheit schaffen
Adams weiß, dass viele Materialien – Farbkasten, Füller, Zirkel – über den Lernerfolg mitentscheiden, vor allem wenn billige Alternativen schlicht nicht funktionieren. Im Kiosk bekommt jedes Kind, was es braucht – damit alle die gleichen Chancen haben. „Für mich ist der Kiosktag der schönste Wochentag“, sagt Adams. „Wenn man sieht, wie die Kinder Verantwortung übernehmen, sich freuen, mitarbeiten – das ist ein Motor, der vieles im Schulalltag erträglicher macht.“



Preisträger: Innovativer Lernort MakerSpace Mayen-Koblenz
Preisträger: Innovativer Lernort MakerSpace Mayen-Koblenz
„Einfach machen“ – das ist beim MakerSpace Mayen-Koblenz Programm. Der innovative Lernort wurde im Dezember von der Diakonie in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Bewerbungen um den Helmut-Simon-Preis 2025 als eines von drei Projekten ausgezeichnet. Ein Gespräch mit Geschäftsführerin Eva Pfitzner über Selbstwirksamkeit und die Kraft des gemeinsamen Tüftelns.
Sie haben den MakerSpace Mayen-Koblenz mitgegründet. Wie ist die Idee entstanden?
Uns gibt es seit Oktober 2023, mitten in Bendorf, und wir gehören zum Landkreis Mayen-Koblenz. Unsere Wurzeln reichen aber viel weiter zurück: Die Universität Koblenz bietet seit über 20 Jahren eine Kinder-Uni und sogenannte Ferientechnik-Camps an. Jedes Jahr sind dort 800 bis 1.000 Kinder aktiv mit dabei. Die Nachfrage war groß, solche Angebote auch außerhalb der Ferienzeiten anzubieten. So sind wir auf die Idee gekommen, den MakerSpace zu gründen.
Wie wurde daraus ein offenes Werkstattlabor für alle?
Zum einen standen immer mehr Innenstadtflächen leer, zum anderen kamen gerade jüngere Rentnerinnen und Rentner auf uns zu und sagten: „Ich kann noch etwas tun, ich möchte mich einbringen.“ Die Idee war, einen Ort für alle Generationen, alle Bildungshintergründe und alle Fähigkeiten zu schaffen. Unser Motto „einfach machen“ ist wirklich wörtlich zu verstehen.
Wie sind Sie gestartet?
Anfangs sehr klein. Wir dachten an 150 Quadratmeter, eine Vollzeitstelle und eine FSJ-Stelle. Heute haben wir 300 Quadratmeter, 15 Mitarbeitende und täglich 30 bis 50 Besucherinnen und Besucher – seit zwei Jahren, ohne Pause. Wir haben finanzielle Herausforderungen, aber eines haben wir wirklich nie: zu wenig Menschen, die kommen wollen.
Wer arbeitet bei Ihnen?
Wir stellen ausdrücklich keine pädagogischen Fachkräfte ein. Wir suchen Menschen, die in ihrem Bereich absolute Nerds sind und diese Begeisterung weitergeben wollen – ob beim Programmieren, Löten, Sägen oder Schneidern. Das Pädagogische ergibt sich aus unserer Haltung: Wir bewerten nicht. Wir fragen: Gefällt dir dein Ergebnis? Brauchst du Hilfe? Wie machen wir weiter?
Kostet das was, und wer darf kommen?
Unsere freie Forschungszeit ist komplett kostenfrei. Keine Anmeldung, keine Mitgliedschaft, kein „Warst du schon mal hier?“. Man kommt, bleibt so lange man möchte und macht, was man möchte. Wir haben auch keine Altersgrenze. Entscheidend ist: Brennt jemand dafür? Überraschend ist: Unsere Hauptgruppe besteht aus Kindern zwischen acht und 13 Jahren. Weil wir im Brennpunkt liegen, bringen viele ihre jüngeren Geschwister mit. Deshalb haben wir heute Fünfjährige, die wissen, was eine Stichsäge ist und mit einem 3D-Drucker umgehen können – für sie ist das normal, weil sie jeden Tag da sind.
Wo liegt aus Ihrer Sicht die gesellschaftliche Notwendigkeit für solche offenen Orte?
Da gibt es mehrere Lücken. Erstens: Viele Menschen leben in Mietwohnungen, in denen man nicht einmal mehr einen Nagel in die Wand schlagen darf. Handwerkliche Fähigkeiten gehen verloren, Reparieren findet kaum noch statt. Zweitens: Schulen versuchen erst in der 8. oder 9. Klasse, Jugendlichen technische Berufe zu zeigen – aber ohne jede Vorerfahrung. Bei uns wissen Kinder dann längst: Liegt mir Löten? Drucke ich gerne 3D? Baue ich lieber? Drittens: Digitalisierung. In bildungsfernen Familien gibt es kein Smart Home, keine Auseinandersetzung mit KI. Bei uns schon – niederschwellig und spielerisch.
Und das funktioniert generationsübergreifend?
Absolut. Bei uns arbeiten Menschen mit und ohne Sprache, Jugendliche, Rentner, Studierende, Unternehmer*innen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Niemand muss reden können, um zu zeigen, was er programmiert hat. Und niemand wird aussortiert. Wer etwas kann, hilft dem Nächsten. Ein Beispiel: Ein achtjähriger Junge fluchte an der Nähmaschine: „Kann mir mal jemand helfen?“ Innerhalb einer Sekunde standen drei Leute neben ihm – keine Mitarbeitenden, sondern andere Besucher. Dieses gegenseitige Helfen ist der Kern unseres Erfolgs.



Preisträger: Ebenberg parkrun Community in Landau
Preisträger: Ebenberg parkrun Community in Landau
Der Ebenberg-parkrun in Landau ist ein kostenloses, offenes und inklusives Bewegungsangebot. Ehrenamtlich organisiert und mit viel Gemeinschaftssinn verbindet er Menschen jeden Alters. Die Ebenberg-parkrun-Community wurde im Dezember von der Diakonie in Rheinland-Pfalz im Rahmen der Bewerbungen um den Helmut-Simon-Preis 2025 als eines von drei Projekten ausgezeichnet.
Jeden Samstagmorgen um 9 Uhr versammeln sich auf dem ehemaligen Landesgartenschaugelände am Ebenberg Menschen jeden Alters zum parkrun – ein kostenloses Laufangebot, das Sport, Gemeinschaft und Inklusion miteinander verbindet. Hinter der Organisation stehen Markus Bayer und Annika Weis, die den Landauer Standort am Ebenberg seit seiner Gründung 2023 unterstützen und die wöchentlichen Läufe koordinieren. Dabei gilt der Grundsatz „teilnehmen und helfen“. Konkret bedeutet das: Ein Teil der Community läuft, der andere hilft.
Jede*r ist willkommen
Die Idee des parkruns ist einfach: Jeder kann teilnehmen – egal ob sportlich ambitioniert oder gemütlich unterwegs mit Kinderwagen oder Rollator. Laufen, Walken, Spazieren – alles ist möglich. „Es geht nicht ums Gewinnen, sondern darum, dass jeder mitmachen kann, in seinem eigenen Tempo“, erklärt Markus Bayer. Die Strecke besteht aus zwei Runden zu je 2,5 Kilometern, ist barrierefrei und größtenteils asphaltiert, sodass sie auch für Rollstuhlfahrerinnen oder Familien mit Kinderwagen problemlos nutzbar ist.
Ein besonderes Merkmal des Landauer parkruns ist die starke Community. Ehrenamtliche Helfer*innen übernehmen die Laufleitung, kümmern sich um die Zeitnahme und sorgen dafür, dass niemand auf der Strecke verloren geht. „Wir starten gemeinsam, aber wer wirklich da war, sehen wir erst im Ziel“, erläutert Annika Weis. Nach dem Lauf gibt es die Möglichkeit, sich bei Wasser, Tee oder einem gemeinsamen Frühstück in Ninas Mehlstübchen auszutauschen – ein Angebot, das von vielen Teilnehmenden geschätzt wird.
Inklusion als Herzensprojekt
In den letzten beiden Jahren hat sich die Ebenberg-parkrun-Community verstärkt für das Thema Inklusion engagiert. Neun vom Guidenetzwerk Deutschland ausgebildete Blindenguides bieten zum Beispiel sehbeeinträchtigten Menschen die Möglichkeit zur Teilnahme. Außerdem können Menschen mit unterschiedlichsten körperlichen und geistigen Einschränkungen teilnehmen. Auch Menschen mit Beeinträchtigungen, die ohne Betreuung kommen können, werden als Teil der Community gerne aufgenommen. „Es ist unglaublich schön zu sehen, dass jeder einen Platz findet – egal ob mit Rollstuhl, Kinderwagen oder besonderen Bedürfnissen“, sagt Markus Bayer. „Der parkrun bietet den Rahmen dafür, aber wie es gelebt wird, das ist die Community.“
Die finanzielle Förderung von 1.500 Euro, die mit der Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz verbunden ist, soll daher auch zu gleichen Teilen an die drei Landauer Organisationen Lebenshilfe SÜW, LiLi (Leben in Landau inklusiv) und den Kinderschutzbund gehen, die Teil der Community sind. „Es ist ein Preis für die Community, der in die Community zurückfließen soll“, sagt Markus Bayer.
Kreativität und Spaß
Neben dem sportlichen Aspekt lebt der parkrun auch von kreativen Events: So gab es in diesem Jahr Sonderläufe wie den „Blaulichtlauf“ mit Feuerwehr, THW und der DLRG oder einen Lauf im Tütü, der immer dann stattfindet, wenn der parkrun auf einen 22. des Monats fällt. „Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet, dass unser kleiner Standort so gut angenommen wird. Regelmäßig sind 80 bis 100 Teilnehmer*innen dabei, beim 100. Lauf waren es sogar über 200 – das war überwältigend“, sagtAnnika Weis. Selbst im Winter lassen sich die Teilnehmenden nicht abschrecken – oft sind auch bei niedrigen Temperaturen noch über 60 Läufer*innen am Start. Das Geheimnis für den großen Zulauf: „Es geht nicht nur ums Laufen. Wir schaffen eine Plattform, auf der Menschen zusammenkommen, Kontakte knüpfen und sich gegenseitig motivieren. Genau das macht unsere Community so besonders“, sagt Markus Bayer.



