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Flüchtlingsorganisationen fordern Abschiebungsstopp

Vor dem für Dienstag, den 8. Juni, geplanten insgesamt 39. Abschiebecharter nach Afghanistan seit Dezember 2016 fordern die Diakonie in Rheinland-Pfalz, der AK Asyl - Flüchtlingsrat RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP die neue Landesregierung dazu auf, einer Beteiligung rheinland-pfälzischer Ausländerbehörden die Zustimmung zu verweigern.

Vor dem für Dienstag, den 8. Juni, geplanten insgesamt 39. Abschiebecharter nach Afghanistan seit Dezember 2016 fordern die Diakonie in Rheinland-Pfalz, der AK Asyl - Flüchtlingsrat RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP die neue Landesregierung dazu auf, einer Beteiligung rheinland-pfälzischer Ausländerbehörden die Zustimmung zu verweigern. 

„Die Taliban haben die durch den kürzlich begonnenen Truppenabzug entstehenden ‚Freiräume‘ schnell genutzt und ihre Machtposition ausgebaut. Das Ergebnis ist noch mehr Gewalt und sind noch mehr getötete und verletzte Zivilist*innen“, sagt Torsten Jäger vom Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP.

 

Der aktuelle Bericht der Afghanistan-Mission der Vereinten Nationen verzeichnet für das 1. Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 30 Prozent mehr getötete oder verletzte Zivilist*innen.

 

Zudem belegt eine aktuelle Studie von Diakonie Deutschland, Brot für die Welt und Diakonie Hessen eindrucksvoll die besondere Gefährdungslage für diejenigen, die in den letzten Jahren aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben wurden. Wegen ihrer Flucht

unterstellen die Taliban ihnen Verrat, Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder die Abkehr vom Islam. Weil auch ihre Familien bedroht werden, fehlt den Abgeschobenen vor Ort vielfach das überlebenswichtige familiäre Netz. Neben Verfolgung und konkreter

Lebensgefahr droht ihnen daher zusätzlich die soziale Verelendung. Ergebnis: Von 113 im Rahmen der Studie untersuchten Personen haben zwei Suizid begangen, mussten 70 erneut aus Afghanistan fliehen und planen 32 derzeit ihre erneute Flucht.

 

Nach geltender Erlasslage bedürfen Abschiebungen aus Rheinland-Pfalz nach Afghanistan in jedem Einzelfall der vorhergehenden Zustimmung des Integrationsministeriums: „Wir fordern das Ministerium dazu auf, den anfragenden Ausländerbehörden diese Zustimmung angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht zu erteilen und bereits in der Vergangenheit erteilte Zustimmungen im Lichte der neuen, Besorgnis erregenden Entwicklungen erneut zu überprüfen“, verlangt Pierrette Onangolo vom AK Asyl – Flüchtlingsrat RLP.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem kürzlich ergangenen Eilrechtsbeschluss (9. Februar 2021 - 2 BvQ 8/21) ausdrücklich festgehalten, dass sich Behörden und Gerichte bei geplanten Abschiebungen laufend über die tatsächlichen Entwicklungen unterrichten

müssen und Abschiebeentscheide nur auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse treffen dürfen.

 

„Die verfassungsrechtlich gebotene erneute Überprüfung bereits erteilter Zustimmungen zu Abschiebungen nach Afghanistan muss bei sachgerechter Würdigung der aktuellen Entwicklungen vor Ort dazu führen, sie wieder zurückzunehmen und von Abschiebungen aus

Rheinland-Pfalz nach Afghanistan derzeit ohne Ausnahme abzusehen“, so Pfarrer Albrecht Bähr von der Diakonie in Rheinland-Pfalz.

 

Die Diakonie in Rheinland-Pfalz, der AK Asyl - Flüchtlingsrat RLP und der Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP weisen zudem darauf hin, dass sich die Covid-19-Pandemie in Afghanistan derzeit vor allem wegen fehlender Impfstoffe dramatisch verschärft. Die

aktuellen Inzidenzwerte vor Ort übersteigen nach Daten der Johns Hopkins Universität bei weitem die Werte, die die Bundesregierung noch Anfang des Jahres dazu veranlasst haben, das Land als „Hochinzidenzgebiet“ einzustufen, deutsche Staatsangehörige eindringlich vor Reisen in das Land zu warnen und die für Anfang Mai geplante Sammelabschiebung auf Bitten der afghanischen Regierung abzusagen.

 

Das Festhalten der Bundesregierung an den Abschiebungen offenbart, dass für sie das Vollzugsinteresse mehr zählt als das Leben der betroffenen Menschen, die abgeschoben werden sollen.

 

„Diesem kalten Kalkül der Bundesregierung muss die rheinland-pfälzische Landesregierung entgegentreten. Die im neuen Koalitionsvertag der rheinland-pfälzischen Regierungsparteien gerade erst bekräftigte Selbstverpflichtung zu einer ‚humanitären Flüchtlingspolitik‘ muss angesichts der dramatischen Situation in Afghanistan dazu führen, dass aus unserem Bundesland niemand in eine konkrete Gefahr für Leib und Leben abgeschoben wird“, fordern die drei Organisationen abschließend.

 

gez.

  • Torsten Jäger, Initiativausschuss für Migrationspolitik in RLP
  • Pierrette Onangolo, AK Asyl - Flüchtlingsrat RLP
  • Pfarrer Albrecht Bähr, Diakonie in RLP