18. September 2017

Unter dem Motto "Hört mal her" trafen sich mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Reinland-Pfalz zum Aktionstag für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Worms

Worms (dwp). "Hier stehe ich und will nicht anders.": So eröffnete Albrecht Bähr, Landespfarrer für Diakonie im Bereich der Evangelischen Landeskirche der Pfalz und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diakonie in Rheinland-Pfalz, in Anlehnung an das berühmte Luther-Zitat den Aktionstag im Lutherjahr für die Rechte von Menschen mit Behinderungen am Lutherdenkmal in Worms. Menschen mit Behinderungen aus ganz Rheinland-Pfalz waren nach Worms gekommen, um für ihre Rechte einzutreten und 500 Jahre nach Luther ihre Thesen - ihre Forderungen nach gerechter Teilhabe -  öffentlichkeitswirksam unters Volk zu bringen. Von allen Seiten waren sie auf den Lutherplatz geströmt, aufgeregt und voller Vorfreude auf den Tag.

"Ich habe Martin Luther die Hand geschüttelt", sagt eine Frau begeistert: Das historische Kostüm, in das der Landespfarrer für diesen Anlass geschlüpft ist, zieht alle Blicke auf sich. Alle paar Meter bleibt Martin Luther alias Albrecht Bähr für gemeinsame Fotos stehen. Doch nicht nur die Organisatoren haben viel Mühe in die Vorbereitung gesteckt, auch die Beteiligten hatten sich in Workshops im Vorfeld mit dem Thema Reformation und Luther auseinandergesetzt.  Auf Plakaten ist nun zu sehen und zu lesen, welche Forderungen, welche Thesen die Menschen mit Behinderung an die Gesellschaft, an die Kirchengemeinden, die Kommunen, Arbeitgeber und Dienstleister haben. Leichte Sprache, keine Behördenwillkür, bessere Bezahlung, Barrierefreiheit - so lauten unter anderem die Stichworte.  "Unsere Reformation heißt Inklusion" fasst es eine These gut zusammen. Die Forderungen waren auch in einem Lied vertont worden, das nun von allen Teilnehmern einstudiert wird.

Nach der Begrüßung beginnt der Protestzug durch die Wormser Innenstadt. Angeführt wird dieser von Albrecht Bähr und dem Landesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung, Matthias Rösch. Ausgerüstet mit den Demonstrationstafeln und verschiedenen Instrumenten zieht die bunte Gruppe durch die Straße. Am Obermarkt und der Kämmererstraße hält sie inne, um sich mit dem Protestlied nochmal Gehör zu verschaffen. "Wir sind nicht Zahl oder eine Nummer, wir sind Menschen mit Herz und Verstand" heißt es darin.

Durch die Fenster der Cafés und auf den Straßen drehen sich die Menschen um und schauen dem Zug hinterher. Viele von Ihnen haben Respekt für diese Aktion. "Drücken wir mal die Daumen, dass es was bringt", sagt eine Passantin, die selbst lange Zeit in der Pflege beschäftigt war.

Am Marktplatz angekommen erwartet die Beteiligten nicht nur ein gemeinsames Essen an der Festtafel mit Musik und Liedern aus Luthers Zeit, sondern auch zahlreiche Mitmachaktionen, die von diakonischen Einrichtungen angeboten werden. Für gute Stimmung und Ausgelassenheit sorgt außerdem die Band "Boneshakers" der Stiftung kreuznacher diakonie. Wer bereits gespeist hat, dem bietet sich die Möglichkeit eine Postkarte mit Grüßen und Forderungen vom Aktionstag zu senden, sich im historischen Kostüm fotografieren zu lassen, einen Druck aus einer Druckerpresse anzufertigen oder bunte Wachshände,-füße oder -herzen zu gestalten.

Dr. Ilka Sax-Eckes, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Diakonische Behindertenhilfe und Psychiatrie in Rheinland-Pfalz eröffnet den Reigen der Grußworte.  "Hört mal her!", rufen die Versammelten gemeinsam und freuen sich an den vielen Ohren, die Ihre Forderungen vernehmen und - so zumindest die Hoffnung - in der Praxis auch aufgreifen und umsetzen. Die Grüße und Wünsche von Ministerpräsidentin Malu Dreyer überbringt Prof. Dr. Konrad Wolf, Staatsminister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur. Ulrike Scherf, stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, schlägt bei ihrem Grußwort auch kritische Töne an, fragt, ob es auch in der Kirche Schwellen gibt, die nicht überwindbar sind und mahnt deren Beseitigung an. "Mit unserer diakonischen Arbeit tragen wir dazu bei, dass die Gesellschaft gerechter wird."

Beeindruckt vom Engagement und der Vielfalt der Forderungen zeigt sich der Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, Matthias Rösch. Luthers These gegen den Ablasshandel formuliert er um: "Es irren daher die Unternehmen, die meinen, sich durch die Zahlung der Ausgleichsabgabe der Verantwortung für die Inklusion in ihrem Betrieb freikaufen zu können."

Das Unterhaltungsprogramm im Anschluss wird gestaltet von Gruppen des Evangelischen Diakoniewerks Zoar und der Stiftung kreuznacher diakonie. Selbst der Schauer, der am frühen Nachmittag einsetzt, vermag die gute Stimmung nicht zu trüben.

Beim abschließenden Gottesdienst marschieren die Workshop-Gruppe mit den Thesentafeln, Pfarrerin Ronny Willersinn vom Gottesdienst-Team der Einrichtung Bethesda Landau der Diakonissen Speyer-Mannheim, und "Martin Luther" in die Kirche ein, wo sie zunächst vom Hausherren, Pfarrer Volker Fey, aufgehalten und nach dem Grund für die Demonstration befragt werden. Noch einmal bringen die Beteiligten Ihre Forderungen auf den Punkt und hängen die Thesen in der Kirche auf.  Symbolisch werden im Gottesdienst in leichter Sprache die - nicht nur kommunikativen - Mauern eingerissen, die Menschen von Menschen trennen.  Tina Pazer/dwp

Unter dem Motto "Hört mal her" trafen sich mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Reinland-Pfalz zum Aktionstag für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Worms



 


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